Es gibt eine ganz schmale Zone zwischen Grenzwertigem und unmöglichem Flugwetter. Mein Fluglehrer begrüßt gern ersteres, denn wer mit grenzwertigen Bedingungen umgehen kann, kann mit allen Bedingungen umgehen.
Recht hat er. Und gerade in dieser herbstlichen Jahreszeit gibt es eine sehr hohe Verfügbarkeit an grenzwertigem Wetter. Bedauerlicherweise auch eine große Menge an unmöglichem Wetter, weshalb in den letzten Wochen nicht geflogen werden konnte. Ich zu meinen Teilen war jedenfalls froh, endlich wieder im Flieger zu sitzen. Ich kann nur immer wieder betonen, dass es ein derart unbeschreiblich gutes Gefühl ist, das Fliegen. Entsprechend enttäuscht war ich beispielsweise letzte Woche, als es erst hieß, das Wetter sei gerade noch geeignet zum Fliegen, dann jedoch kurz vor dem Start doch umschlug und der Flug abgebrochen werden musste.
Derartige Vorfälle scheinen durchaus bekannt zu sein, in der Fliegerei. Entsprechend verbreitet ist auch die alte Fliegerweisheit “Lieber ist man am Boden und wünscht sich in der Luft zu sein, als dass man in der Luft ist und sich wünscht am Boden zu sein.” Und trotzdem ist dieser Spruch kein wirklicher Trost, besonders nicht wenn man versucht, ihn in Relation mit dem Gefühl des Fliegens zu setzen, das ich heute wieder erleben durfte.
Entsprechend der grenzwertigen Bedingungen standen heute Platzrunden auf dem Plan. Das bedeutet, dass man fortlaufend den Vorgang des Startens, Einfliegens und Landens wiederholt. Die Platzrunden fordern dabei zu jedem Zeitpunkt volle Konzentration, einen guten Überblick über die aktuelle Flug- und Verkehrslage und eine ständige Reaktionsbereitschaft. Besonders bei dem Wetter heute erwiesen sich bereits erprobte Manöver als Herausforderung.
Der Wind fegte heute mit einer Geschwindigkeit von 17-20 Knoten (Entspricht etwa 32-36 km/h) über den Platz und drückte damit den Flieger ordentlich zur Seite. Aber bevor wir überhaupt starten konnten, machte sich eine weitere Problematik des Wetters bemerkbar: Die Öltemperatur muss vor dem Start auf etwa 90°C erhitzt werden. Bei ca 4°C Außentemperatur und gut feuchter Luft dauerte es entsprechend lang, bis es überhaupt losgehen konnte.
In den ersten fünf Runden hatten wir den Wind von der Seite, sogenannter Crosswind. Es galt einen großen Vorhaltewinkel einzuhalten um im Landeanflug die Bahn zu treffen. Das Ziehen des Höhen- und Querruders erforderte mehr Kraft als gewohnt, besonders beim Landen machte sich dies deutlich.
Im Laufe der Zeit änderte sich zwar nicht die Intensität des Windes, wohl aber seine Richtung. Bei starkem Gegenwind von 19 Knoten wurde die Steiggeschwindigkeit drastisch erhöht. Bei einem Start hatten wir einen Steigflug von gut 5 Metern pro Sekunde. Eine Leistung, zu der die Maschine ohne Wind wohl kaum fähig wäre.
Die Platzrunden selbst brauchen natürlich auch ihre Erfahrung. Vor jedem Flug schaut man sich normalerweise die Anflugkarten der Zielflugplätze an, um anhand der Landmarken die Abmessungen der Platzrunde abschätzen zu können. In meinem Fall hat mir mein Fluglehrer einfach gezeigt, wo welche Kurven einzuleiten sind und beim dritten oder vierten mal saß das dann auch ziemlich fest. Ich bin trotzdem mehr als froh, dass mein Fluglehrer ständig an meiner Seite war um meine Manöver zu unterstützen. Ich denke, bis ich die nötige selbstsicherheit zum Landen erreicht habe, braucht es schlichtweg noch etwas an praktischer Erfahrung.
Wenn ich nun versuche eine Bilanz über die heutigen Unterrichtseinheiten ziehen, würde ich sagen, durchaus wichtige Erfahrungen gemacht zu haben. Klar: Es wird sich zeigen, wie stark sich die heutigen Erfahrungen bereits in den nächsten Flugstunden abzeichnen werden. Ich denke jedoch, dass mein erster Kontakt mit starken Windverhältnissen bei permanenter Belastung durchaus glücklich verlaufen ist. Die Abläufe der Fliegerei festigen sich auch langsam bei mir, die Checks zum Start laufen praktisch automatisch.
Sehr erfreulich liefen heute die Kurvenflüge, das stellte auch mein Fluglehrer fest. Ich erinnere mich, in den ersten Flugversuchen eine Schräglage von 60° gehabt zu haben, die ich viel zu schnell eingeleitet hatte. Inzwischen ist es für mich schon praktische Routine, die Kurven sauber bis 30° Schräglage einzuleiten. Sollten sich Flugschüler oder Interessenten finden, die mit der C42 fliegen – oder fiegen werden – lasst euch den Tipp geben, beim Einleiten der Kurven auf die Streben zu achten. Wenn ihr als Pilot genau auf die Verbindung der Streben für die Tragflächen schaut, dann habt ihr die Kurve sauber mit 30° genommen.
Nächste Woche am Samstag soll dann endlich ein Termin für die Theorie-Prüfung gefunden werden. Diese soll tatsächlich noch in diesem Jahr abgehalten werden. Glücklicherweise nach der Klausurenphase. So kann ich die Lernzeit, die ich sonst zusätzlich für die Schule aufgewendet habe, für die Theorieprüfung aufwenden.
Bis dahin einen guten Flug all jenen, die bereits Piloten sind!
Schmuel
Nachtrag:
Da ich inzwischen alle Theorie-Teile der Ausbildung absolviert habe, werden in den folgenden Wochen nur dann Einträge folgen, in welchen ich von Flügen oder besonderen Ereignissen berichte. Der Theorie-Unterricht ist dahingehend aufgebaut, dass wir bis zur Prüfung die Prüfungsfragen durchgehen und beantworten. Eine klassische Prüfungsvorbereitung also.
Flieger, Vogel, Flugzeug, Maschine, Luftfahrzeug, LFZ….
Alles irgendwie geläufig – die letzten beiden eher weniger 😉
Aber ja, bei uns sagt man gern auch Flieger.
"Im Flieger sitzen".
Sagen Piloten wirklich "Flieger"?