Samstag, der 1. Juni 2019. Das ist ein Tag, der für meine Prüfung bestimmt war. Das ist der Tag, an dem meine Prüfung dann auch stattfinden sollte. Im Grunde ist so eine Prüfung ja nichts anderes als eine Flugstunde. Man absolviert die Flugvorbereitung und fliegt ein paar Platzrunden. Nur eben dass anstelle des Lehrers der Prüfer sitzt.
Und so kam es dann auch. Um 9:30h haben sich mein Fluglehrer und ich ins Flugzeug gesetzt um nach Stechow zu fliegen. Dort sollte meine Prüfung stattfinden. Nach sorgfältiger Vorflugkontrolle und Routenplanung geht es los. Als ich dem Turm den “VFR-Schulungsflug nach Stechow” melde fährt mir der Gedanke wie ein Blitz durch den Kopf: Der vielleicht letzte Schulungsflug? Ist das der Anfang vom Ende, werde ich vielleicht als Pilot wieder heimkehren?
Die letzten Tage habe ich viel darüber nachgedacht, wie die Prüfung wohl ablaufen würde. Habe Winddreiecke gezeichnet, Kurse berechnet. Mein Theorie-Hefter habe ich rausgekramt und auch mein Lehrbuch ein weiteres mal durchblättert um mich zu vergewissern, dass alle wichtigen Punkte sattelfest im Kopf verankert sind. Doch trotz all dieser Vorbereitung am Boden nimmt einem das nur kaum die Aufregung vor der Prüfung in der Luft. Letzten Endes müssen die wichtigen fliegerischen Techniken 1A funktionieren. Da hilft dann auch das theoretische Wissen nur geringfügig.
Wir verlassen die Platzrunde von Magdeburg in Nordöstliche Richtung. Von hier aus geht es eine gute halbe Stunde, bis man die markanten Buschformationen südlich des Platzes von Stechow erkennen kann. Die Stimmung: gelassen. Wenn man einmal im Flugzeug sitzt und sich Kilometer um Kilometer Richtung Prüfung bewegt, kann man daran nichts mehr ändern. Da führt man lieber ein Gespräch mit dem Fluglehrer oder betrachtet die Landschaft die sich unter einem ausbreitet während der morgendliche Dunstschleier sich langsam lichtet und die Sicht immer besser wird.
Inzwischen eine gewohnte Perspektive. Wann war ich das erste Mal in diesem Flugzeug? Anfang Juli muss das gewesen sein.. fast zwei Jahre ist das schon her. Damals, als ich den Start der C42 als unfassbar schnell wahrgenommen, als ich hinter der ersten selbstgeflogenen Kurve “Meine Welt” erkannt und den unabtretbaren Entschluss gefasst habe, selbst das Fliegen zu lernen. Und nun kenne ich diese Perspektive fast besser als alles andere. Ich kenne die Gegend um den Flugplatz Magdeburg fast in und auswendig und trotzdem ist diese Sicht meine Welt wie eh und je. Sich etwas von Herzen wünschen, es erhalten und nicht zu verstoßen. Das muss Liebe sein.
Godot kommt bestimmt.
Genau über dem Flugplatz Stechow setzen wir nun an zu der letzten Ziellandung vor der Prüfung – läuft ab wie erwartet. Ein gutes Omen? Am Platz angekommen und sicher gelandet werden wir bereits freudig von alten Bekannten in Empfang genommen. Meine Prüferin der Theorieprüfung war da, ein paar alte ein paar neue Gesichter nur eines fehlt: Das meines Prüfers. Der sei noch mit einem anderen Flugschüler unterwegs, heißt es. Also warten wir.
Und warten kann so schrecklich schwer sein, wenn die Prüfung bevorsteht. Immerhin: Ein ansässiger Pilot zelebrierte heute ausgerechnet seine tausendste Landung und lud zu Kaffee und Kuchen ein. Ablenkung liefert so ein Kränzchen also allemal. Es wäre dennoch nur all zu müßig in Text wiederzugeben, was einem durch den Kopf geht, während man wartet ohne zu wissen wie lang und nur grob zu wissen worauf. Man denkt an alles und nichts zugleich, während sich der Sekundenzeiger im trägen Gang über die Uhr bewegt, Ziffer für Ziffer erklimmt, nach einer Umrundung zur nächsten ansetzt und das Spiel von vorne beginnt.
“Heut ist doch Samstag?” kommt mir die Szene aus “Warten auf Godot” in den Sinn… die Parallelitäten sind ein wenig erheiternd. “Er kommt bestimmt” denke ich mir und blicke wieder zur Uhr, nehme ein letztes Stück Kuchen (Ein solches ‘letztes Stück’ von dem ich zuvor schon mindestens eins gehabt hatte) und lehne mich im Sessel zurück. Immerhin: Ein schöner Platz ist es hier. Mein erster Eindruck von Stechow ist unverändert, es muss der Fliegertraum sein, an einer kleinen Graspiste irgendwo im Land: Ein kleines Stück Zuhause.
Runter kommen sie alle!
Dann endlich kam der Prüfer an, setzte sich zu uns, aß ein Stück Kuchen stieg ins Gespräch ein, derweil ich wusste, dass es gleich losgehen würde. Nur wann?.. “Lass ihn erstmal ankommen” dachte ich. Nur ruhig, nur ruhig. Aber wann nur, wann..? “Wollen wir?” Fragt er dann plötzlich und reißt mich aus der Gedankenspirale. Ich atme auf. Wir wollen.
Wir gehen zum Flugzeug, machen die Vorflugkontrolle, setzen uns rein. Besprechen kurz den ungefähren Ablauf und auf gehts. Motor starten, ein Kinderspiel für mich. Ich beschreibe den Prüfer all meine Gedankengänge, sodass er mein Handeln nachvollziehen kann. “Schauen wir mal, ob der Motor noch warm ist.” Sage ich also und versuche den Motor ohne Choke zu starten. Ohne Erfolg, was mich aber nicht aus der Routine bringt. Also mit Choke und Gas im Leerlauf… wieder kein Erfolg. Das gibts doch nicht! Der Motor springt nicht an! Ich versuche es nochmal. Beim vierten Versuch endlich Erfolg. Was war da nur los?
Glücklicherweise ist mein Prüfer sehr entspannt und vermittelt einen gelassenen Eindruck. Der Funk läuft ohne Probleme, wir rollen zur Bahn, machen die letzten Checks, Klappen setzen und rauf auf die Bahn. Nach einigen unproblematischen Flugmanövern kehren wir dann zurück zum Platz um slippen und Ziellandung zu üben. Bei 1000ft (ca 300m) über dem Platz nehmen wir das Gas weg, genau wie ich es mit meinem Lehrer bei der ersten Landung heute schon gemacht habe. In großen Linkskurven manövriere ich das Flugzeug wieder zurück zur Bahn. Nur verlieren wir kaum oder gar keine Höhe. In der Zwischenzeit muss sich eine starke Thermik über dem Wald herausgebildet haben. Es geht nicht mehr abwärts. In fast 700ft komme ich dann im Endanflug an. Mein Prüfer sagt, ich soll durchstarten.
Wenige Minuten später, wieder über der Bahn, 1000ft. Gas raus, größere Kurven fliegen, Höhe im Blick haben, Klappen später setzen.. es funktioniert. Eine saubere Landung auf dem Platz. Ich habs also doch nicht verlernt in der letzten halben Stunde. Nach dem Aufsetzen starten wir wieder durch, fliegen noch einmal die Platzrunde, zur letzten Ziellandung. Ich versuche es wieder so zu machen, wie beim ersten Mal. Große Kurven, Ein Auge auf der Bahn, ein Auge auf dem Höhenmesser, ein Auge auf dem Horizont, ein Auge auf dem Fahrtmesser…. Ich habe zu wenig Augen. Mir gelingt ein sauberes Einfliegen in den Endanflug aber wieder zu hoch. Diesmal fasse ich den Entschluss, bevor mein Prüfer sagt, ich solle durchstarten. “Ich werde slippen” sage ich. Eine andere Wahl habe ich ohnehin nicht und slippen käme früher oder später ohnehin noch auf den Plan. Er lässt mich machen, ich mache, es gelingt. Sehr befriedigend.
Als wir dann auf der Piste aufsetzen, gibt mir mein Fluglehrer ein Zeichen, dass ich abrollen soll. Die Prüfung ist beendet. Ich kriege ein Feedback, dass ich die Klappen bei der Ziellandung ruhig erst im Queranflug setzen soll… und sonst?…. “Ich bin zufrieden mit deinem Fluglehrer” sagt mein Prüfer “Er hat dir das Fliegen gut beigebracht.” lacht er. Dann gratuliert er mir, ich habe bestanden.
Ein unfassbarer Moment, nach all den Komplikationen sich dennoch behauptet zu haben. Zu zeigen, dass man das Flugzeug im Griff hat, ich glaube das ist das allerwichtigste was man bei der Prüfung nachweisen muss. Und offensichtlich habe ich das. Stolz, Euphorie, Glückseeligkeit…. es gibt kaum treffende Worte um dieses wunderbare Gefühl zu beschreiben, während ich mit meinem Prüfer zurück zu den anderen laufe. Die schauen uns an, die Spannung im Gesicht geschrieben – als könnten sie es mir nicht ansehen! – “Und?” Fragen sie, “Bestanden?” Ich spüre, wie mein Kopf glüht, kann mir kein Grinsen mehr unterdrücken, lache fast. “Ja!” Rufe ich “Ich habe Bestanden!” Herrlich, am liebsten würde ich es den ganzen Tag in die Welt rufen, dass alle es wissen. Ich bin Pilot.
2500 Fuß über mir
Der Rückweg verging wie im Fluge, nach herzlichen Verabschiedungen und ein paar Unterschriften machten sich mein Fluglehrer und Ich wieder auf Richtung Magdeburg. Ich kann mich nicht mehr an die freudevollen Gedanken erinnern, die mir auf dem Weg nach Magdeburg alle durch den Kopf gegangen sind, ich kann mich auch kaum an den Rückweg erinnern. Aber als wir in ca 2500 Fuß über meiner Heimat Körbelitz flogen….. da kamen mir schon wieder die Gedanken in den Kopf von dem langen Weg bis zu meiner Lizenz. Und mag er auch länger gewesen sein, als üblich so bin ich mir sicher, dass es auch einer der schönsten Wege überhaupt war.
Denn nicht nur mit meinem Fluglehrer muss der Prüfer zufrieden gewesen sein, sondern auch mit Thomas und all den wunderbaren Menschen, die ich durch den unwahrscheinlichsten aller Zufälle kennengelernt habe und mit denen ich geflogen bin.
Ist das das Ende der Geschichte?
Das ist das Ende dieser Geschichte. Es gibt noch weitere.
Genaugenommen hat das Fliegen jetzt erst so richtig angefangen. Dieser Blog aber soll hier enden. Der Blog erzählt von meinem Weg zur UL-Lizenz die ich nun in den Händen halten kann. Wer sich darüberhinaus dafür interessiert, wie ich so durch die Welt fliege, der kann gerne mal im Aerohabitat (www.aerohabit.at) vorbeischauen. Denn solang ich nicht aufhöre zu Fliegen werde ich auch nicht aufhören darüber zu schreiben.
Anfang Juli werden Thomas und Ich den Versuch wagen und mit der C22 nach Spanien fliegen und das ist der Anfang, einer neuen Geschichte.