Übung macht den Meister, der dann hoffentlich nicht vom Himmel fällt. ~Alte Fliegerweisheit
Übung jedenfalls habe ich in den letzten Tagen einige genossen. Offensichtlich so viel Übung, dass mein Fluglehrer der meinung ist ausprobieren zu können, ob ich vom Himmel falle.
“Der Wind mit 5 Knoten aus 26” hörte ich heute im Funk, bei meiner Platzrundenübung mit meinem Fluglehrer. Inzwischen wieder ein Heimspiel für mich. Der Schwache Wind kommt mir direkt entgegen. Kein Crosswind, keine bösen Überraschungen. Die C42 fliegt sich praktisch von selbst. Wir fliegen ein paar runden, der Wind dreht leicht Richtung Süden, soll mich nicht stören. Seit der Pause aufgrund von Krankheit meines Fluglehrers habe ich viel aufgeholt, ich bin nun mindestens auf dem Stand den ich einst hatte, vielleicht sogar ein bisschen weiter. Mein Fluglehrer sieht zufrieden aus. Lehnt sich zurück, während ich fliege, achtet bei der Landung auf die Parameter: “Stimmt die fahrt? Ist der Kurs stabil? Wann wird abgefangen?” gibt gelegentlich den ein oder anderen Hinweis, bemüht sich aber nicht mehr einzugreifen. Ich kann sein vertrauen Spüren und irgendwie ahne ich bereits jetzt schon, dass heute noch was passieren wird. Nach den obligatorischen 9 Landungen folgt die Abschlusslandung, wir parken die Maschine am Helipad, neben der Flugschule und Besprechen die 10 Landungen. “Hast du heut noch was wichtiges?” fragt mich mein Fluglehrer. Ich verneine, heute habe ich den Rest des Tages frei. “Da können wir auch noch einen Caffee trinken” meint mein Fluglehrer und setzt heißes Wasser auf.
Wir trinken den Caffee reden über die Landungen, über meine Reaktion beim einsetzen des leichten Seitenwindes es scheint alles sehr in Ordnung gewesen zu sein, was ich an Leistungen demonstriert habe. Er nickt zufrieden, ich nippe an meinem heißen Caffee. Nachdem wir ausgetrunken hatten schaute mein Fluglehrer demonstrativ auf die Uhr… eigentlich könne man nochmal fliegen, wenn ich denn noch Lust hätte? “Lust auf Fliegen habe ich immer!” Rufe ich aus. Wir gehen zum Flugzeug, mein Fluglehrer schaut mich ernst an: “Du hast Lust zu fliegen? Dann flieg doch! Ich bleib hier unten und schau dir zu.” Klare Ansage, unmissdeutlich dagegen kann ich sowieso nichts sagen. “Wenn du meinst!” sage ich, vermutlich ohne es zu schaffen meiner lang angestauten Vorfreude freien Lauf zu lassen. Auf diesen Moment habe ich sehr lang gewartet. Wirklich sehr lang. Man wird darauf vorbereitet, sogar im Theorieunterricht. Im Fragenkatalog “Verhalten in besonderen Fällen” gibt es tatsächlich die Frage 27, die da lautet: “Ihr Fluglehrer leiht Ihnen sein UL. Ihr Verhalten: A: Fallschirm Kontrollieren; B: Verkürzten Check durchführen; C: Wie immer vor dem Abflug gesamte Vorflugkontrolle durchführen; D: Schnell wegfliegen, bevor er es sich anders überlegt” Die Frage gibt es wirklich und sie ist knifflig.
Ich entscheide mich dazu, lieber eine Vorflugkontrolle durchzuführen, schließlich weiß ich ja, wer davor damit geflogen ist und dem Typen mit Hut…. dem traue ich einfach nicht… Vorflugkontrolle durchgeführt, eingestiegen, angeschnallt, Sicherung entriegelt, Motor angelassen, beim Funk angemeldet.
“Magdeburg Info, D-MRRW”
“D-MRRW, Magdeburg Info”
“D-MRRW, am Helipad eins zum Schulungsflug in der Platzrunde, Flugschüler ist Samuel Winkler, erbitte Rollinformationen”
“Piste 27 ist aktiv, das QNH 1021”
“D-MRRW rollt zur Piste 27”
So klingt der Funk am Flugplatz, das ist normal, im Grunde schon eine Routine für mich. Neu war aber diesmal eine Rückfrage von Magdeburg Info, sie zu bejahen erfüllt mich mit stolz:
“D-MRRW, ist das jetzt Solo?”
“Positiv”
Ja, das ist ein Soloflug. Also, es wird einer werden! Ich rolle zur Bahn. Meine Aufgabe ist klar definiert: “Starte von der Graspiste und mach drei Landungen auf der Grasbahn.” also genau wie das, was wir heute bereits schon ein paar mal geübt haben, nur jetzt eben allein. “Die Maschine wird etwas leichter sein” hat mein Fluglehrer mich vorgewarnt, “Der Winkel wird steiler, halte sie einfach bei 110km/h im Steigflug dann passt das schon” Na mal sehen, wie das so wird.
Halten am Rollhalt, Landeklappe auf Stufe 1, Öltemperatur passt, Magnetcheck erfolgreich. Melden im Funk. Wind scheint unverändert “D-MRRW rollt auf die Bahn und startet” und wie sie startet! Aufeinmal schießt dieses kleine Flugmonster in die Höhe wie ein Pfeil, es ist unbeschreiblich diese Geschwindigkeit! 500 Fuß erreicht, kurz hinter der Halbbahnmarkierung, 1.000 Fuß noch vor dem Querabflug! Es ist beeindruckend wie schnell so ein Flugzeug sein kann, wenn es doppelt so leicht ist! Es geht aufwärts, aber wie! Im Querabflug trimme ich die Maschine ein und genieße das erste mal meine Zeit allein in der Luft. Sie ist mein Zuhause geworden, die Luft! Hier fühle ich mich wohl! Frei, erhaben von allen menschlichen Problemen, die Luft gehört mir! Ein fabelhaftes gefühl, den ganzen Gegenanflug über bis es dann wieder heißt: “Konzentrieren auf die Landeeinteilung! Gas zurücknehmen, Nase anziehen, Landeklappen einstellen, eindrehen in den Queranflug, melden im Funk, eindrehen in den Endanflug und zielen gut Zielen! Auf die Fahrt achten! Immer auf die Fahrt achten, dann kann so viel nicht passieren. Halt die Nase auf die Bahn drauf zu! Abfangen….. warten, warten. Nur geduld. Die Nase da halten wo sie ist!” Langsam setzt sich das Flugzeug auf die Erde. Ich halte das Bugradhoch, ziehe am Höhenruder, stelle sicher, dass sie unten angekommen ist und gebe wieder vollgas. Die süße C42 schießt in den Himmel reißt mich mit hinauf, der Höhenmesser zeigt 500ft, bald darauf tausend, ich drehe ein in den Queranflug. “Ich kann fliegen, ich kann fliegen!” jubelt es in meinem Kopf während die C42 und ich, die Platzrunde entlangfliegen. Eine gar zu romantische Situation, einige Sekunden lang wird sie wohl gehalten haben bis ich kurz hinter der Bahn wieder bei voller Konzentration bin. Gas reduzieren, Nase nach oben, Landeklappen setzen, fahrt halten, eindrehen in den Queranflug, melden im Funk konzentrieren auf die Landung. Schaffe ich sie diesmal etwas kürzer zu landen? Ich probiere es, die Landung ist zwar etwas weiter, aber sanft. Das Flugzeug tastet sich zu boden, erreicht ihn und rollt sicher, ich geb ihr wieder Power.
Die Seilwinde beim Segelfliegen mag wesentlich imposantere Geschwindigkeiten rauszuhauen, aber da ich selbst nun die komplette Kotrolle und Verantwortung trage ist es einfach ein besonderer, unbeschreiblicher Kick dieses Flugzeug ein letztes mal über den Platz fliegen zu lassen. “Letzte Runde” denke ich, als ich in den Gegenanflug eindrehe. “Schade, dass es so schnell wieder vorbei ist” heimlich nehme ich ein bisschen Gas weg und fliege die letzte Platzrunde nicht mit der Reisegeschwindigkeit (140/150km/h) sondern mit 120km/h sicher, wesentlich mehr Zeit habe ich dadurch nicht in der Luft vollbracht, aber für den Moment gab es mir das Gefühl, dem Himmel ein stückchen länger ein Gast sein zu können. Bei voller Konzentration im Endanflug versuche ich nun wieder die Landung ein kleines Stückchen kürzer zu machen, es gelingt mir, doch war sie wohl längst nicht so weich wie die zweite Landung. Doch das ändert kaum etwas an meiner Freude, als ich gelandet bin und Richtung Hangar rolle. Ich habe es geschafft! Ich kann fliegen!
Ich schalte den Motor aus, sichere das Rettungsgerät, stelle die Landeklappen zurück auf die normale Position und steige aus, mein Fluglehrer stapft wortlos durch das Gras auf mich zu. Er hatte alle drei Landungen vom Rand der Landebahn aus beobachtet, ich erwarte einen Kommentar, vielleicht Glückwünsche? Mein Fluglehrer aber mustert das Flugzeug ganz genau, besonders das Fahrwerk scheint ihn zu interessieren. Immer wieder schaut er aufs Fahrwerk, dann fordert er mich auf “Schau mal da, am linken Rad!” Verdutzt schaue ich nach – und kassiere einen Klapps auf den Hintern. Ein altes Ritual, um neue Flieger im Flugwesen willkommen zu heißen. Ich bin erleichtert und lache vor Glück. “Nun guck!” Sagt mei Fluglehrer sichtlich zufrieden, “geht doch!”